Handwerk hat goldenen Boden - Geschichten, die das Leben schrieb

Handwerk hat goldenen Boden

Ein Sprichwort aus alten Zeiten. -  Wie ist es heute? Ich werde gerade die Tage mit dem Handwerk in vielerlei Hinsicht konfrontiert:

Unsere Tochter hat seit einer Woche den Gesellenbrief für das Dachdeckerhandwerk in der Tasche. Da
war die Freude groß, auf allen Seiten. Der Weg dahin war nicht einfach. Während der Lehrzeit haben wir viel erfahren von Dachpfannen, Überständen, Schieferplatten, was weiß ich sonst noch alles.

Im Moment beschäftige ich mich mit der Bäckerei, genauer gesagt mit dem Backen von Vollkorn-
Brot. Ich habe ein wunderbares Brotbackforum entdeckt. Dort sind wahre Hobby-Experten am Werk, da kann ich noch viel lernen.

Da hab ich mir doch gleich ein Buch bestellt:  Das BrotBackBuch Bin schon ganz neugierig, was mir da für Welten eröffnet werden.

Ich freue mich, dass die Betreiber des Forums das Bäckerhandwerk hoch schätzen.
Das ist auch kein Wunder, denn ich bin eine Bäckerstochter.

Erst jetzt wird mir bewusst, welchen wunderbaren Beruf mein Vater hatte. Ein Handwerk, das Fingerspitzengefühl erfordert. Eigentlich wollte mein Vater Gärtner werden, doch sein Vater sagte "Werd Bäcker, dann hast du immer was zu essen" Und er sollte Recht behalten. Selbst in schweren Kriegszeiten hatte meine Familie nie an Hunger zu leiden. Dann, als er in Rente ging, hat er seine Gärtnerlust ausgelebt und legte einen riesigen Gemüsegarten an.

Sauerteig aus fein gemahlenem Roggen
Sauerteig ist einfach gemacht. Die Zutaten:  fein gemahlener Roggen und Wasser.  Er duftet leicht säuerlich und ich warte sehnsüchtig darauf, dass ich endlich ein Brot daraus backen kann.

Da braucht es keine künstlichen Zusätze, wie es heute leider gang und gäbe ist.


So sieht der Vollkornteig aus. Das Rezept könnt ihr im letzten Posting nachlesen.


 Nun ist das Brot zum Einschieben in den Ofen bereit. Die Gare ist eine Wissenschaft für sich, das durfte ich bei meinen neuerlichen Brotbackversuchen erleben.


 Siehe Foto: - Der Hohlraum zwischen Rinde und Brot hätte nicht sein dürfen. Früher sagten wir dazu "Da ist die Frau des Bäckermeisters durchgekrochen".

 Mein Vater hatte eine kleine Landbäckerei. Doch damals hat mich dieses Handwerk wenig interessiert. Ich freute mich jeden Morgen auf frisches Brot, Brötchen und Kuchen und war nicht immer begeistert, wenn ich am Wochenende mit meinem Vater im Bäckerwagen unterwegs war und helfen musste.

Da saß ich anfangs im VW-Bus vorn, als kleines Mädel und spielte mit meinen Puppen. Später hab
ich mit angepackt, öffnete die schweren Holzpforten zu den Bauernhöfen, zählte Brötchen in Tüten oder auch "Dauergebäck" wie Makronen und Baiser. Dieses Dauergebäck hielt einige Wochen, denn manche Höfe fuhren wir nur jede Woche einmal an.

Mein Vater hatte eine besondere Preisgestaltung. Leute mit Geld zahlten ein wenig mehr und Menschen, die nicht so viel zum Leben hatten, bekamen ein paar Kekse extra.

Und "anschreiben lassen" gab es bei uns auch. Da lag dann ein Heftchen an der Hofeinfahrt in einem Holzkasten. Die Einkäufe wurden aufgeschrieben und am Monatsende bezahlt, oder auch mit Getreide verrechnet.

Ich war dabei, als wir eine Familie mit vielen Kindern ansteuerten. Ein kleiner Junge kam weinend angerannt "sie wollen ihn totmachen!" rief er uns zu. Doch zum Glück hatte mein Vater ein weiches Herz. Die Hundemama hatte viele Junge bekommen. Eins war "übrig" und sollte getötet werden, doch wir nahmen den kleinen Strolch mit nach Hause. War ich glücklich. 

Unterwegs begegneten wir Menschen in ihrer Vielfalt. Da war zum Beispiel die Arztfrau die darauf bestand, dass mein Vater das Brot mit einem Hygienehandschuh anfasste. Das hat er nicht gemacht. "So weit kommt das noch" waren seine Worte. Oder Oma Bremer, die weitab von jedem Geschäft eine kleine Kneipe betrieb. Die Gastwirtschaft war gleichzeitig ihr Wohnzimmer. Hin und wieder brachte mein Vater ihr eine große Dose Würstchen mit für ihre Kundschaft oder ein paar "Holschen" mit Schaffellbesatz. -


Hier gleich gegenüber steht das Haus von Oma Bremer. Im letzten Jahr bin ich noch einmal daran vorbeigefahren.



 Die Dielentür ist zugewuchert, doch auf der Rückseite des Hauses:


Wunderschön renoviert.

Durch das Brotbacken werde ich an meine Kindheit erinnert, ich habe den Geruch des Sauerteiges in der Nase und besonders den von frisch gebackenem Schwarzbrot.

Das Brotbacken nach alter Art erfordert Zeit, der Sauerteigansatz braucht seine Zeit wie auch die Gärung des Teiges. - Doch das Warten lohnt sich. Ich habe lange nicht so leckeres Brot gegessen wie dieses frisch gebackene.

Demnächst stehen Brötchen auf dem Backprogramm. Sie brauchen ihre Zeit - anders als die Brötchen aus dem Supermarkt; doch  das Geschmackserlebnis ist unvergleichbar!!



Kommentare

Olann - Wolle und mehr hat gesagt…
Liebe Heidi,
eine Dachdeckerin ist deine Tochter - alle Achtung! Vor der Leistung und dem Durchhaltevermögen in einem, für eine Frau bestimmt nicht immer selbftverständlichem Beruf. Auch begeistert mich deine Liebe zum Brot Backen. Mit deinem lebendigen Erfahrungsschatz ist sie mehr als zu verstehen. Das Rezept werde ich ausprobieren und auch einen Sauerteig wieder selbst ansetzen.
Vielen Dank für's Mitnehmen auf diese schöne Erinnerungsreise, Birgit
fortunella hat gesagt…
Danke für diese Geschichte(n), ich habe sie vor meinem inneren Auge richtig miterleben können, so lebendig hast du sie beschrieben. Du hast recht, mit den Händen, mit Liebe und Achtung etwas zu tun, berührt alle Sinne und weckt Erinnerungen- ich finde das sehr wichtig, gerade in unserem Zeitalter der schnellen Supermarkt-Brötchen. Das ist für mich eine Anstoß, doch auch einmal wieder Brot zu backen. Liebe Grüße, Britta
bergblumengarten hat gesagt…
Eine wunderschöne Geschichte aus deiner Kindheit. Durch eine Freundin bin ich auf den Plötzblog von Lutz Geißler aufmerksam geworden. Das Forum kannte ich noch nicht. Das Buch lag unter meinem Weihnachtsbaum und ich hoffe, das Backen nach dieser Art bald mal ausprobieren zu können.
Gratulation an deine Tochter zu diesem für Mädchen sicher total ungewöhnlichen Beruf. Hut ab!
LG Sigrun
Lebenszeit hat gesagt…
Das sind schöne Geschichten die man nie vergisst. Oft merkt man erst später, dass man sich zu wenig interessiert hat. Aber man war ja Kind und hatte andere Dinge im Kopf. Brot backe ich auch regelmäßig und kenne Lutz Geißlers Buch und auch das Forum. Gerade heute habe ich mal wieder ein Paderborner Landbrot gebacken. Allerdings mit Vollkorndinkelmehl und Roggenmehl. Mögen wir so am liebsten.
Nun bin ich gespannt wie dein Brot geworden ist.
Herzliche Grüße
Rita
Topfgartenwelt hat gesagt…
Herzliche Gratulation an Deine Tochter, es ist schon toll, wenn man einen Abschluss in den Händen hält. Du machst mir doch große Lust auch mal wieder einen Sauerteig anzusetzen, es ist ja eigentlich nicht schwer.

lg kathrin
Eliane Zimmermann hat gesagt…
liebe heidi, vielen dank für deine treuen besuche. ich komme kaum noch zum blog-surfing, leider. ja, uwe wird an einigen von unseren wanderwochen-terminen einen schwitzhütte anbieten. wir ziehen ja demnächst in ein neues gästehaus und es ist viel zu tun, macht aber auch viel spaß, ich freue mich auf die staunenden augen der besucher!
Elisabeth Firsching hat gesagt…
Liebe Heidi,
danke für diese lebendigen Schilderungen deiner Kindheit. Wie aufregend! würde so manches heutige Kind vielleicht sagen, das von ergeizigen Eltern durch alle Kurse geschickt, aber vom Leben der Erwachsenen nachhaltig ferngehalten wird! Wie wichtig, sich auf altes Handwerk zu besinnen, wenn man noch das Glück hatte es so nah zu erleben, denn die Geschmacksvielfalt und "Echtheit" von Lebensmitteln ist ein sehr rares Gut geworden. Das hat nichts mit Jammerei und Schönfärberei der Vergangenheit zu tun! Fern von Fertiggerichten haben unsere Kinder und Enkel , wenn sie das Glück haben, noch die Chance ab und zu was Selbstgekochtes oder Gebackenes zu bekommen. Am LAnd vielleicht noch eher, in der Stadt selten. Ich bin das Kind von Akademikern, also nirgends Handwerk, aber die Grtoßeltern hatten Tiere und Nutzgarten und Bluemngarten etc und als fast 60-Jährige bin ich sehr dankbar für die entsprechenden Erlebnisse (wenn auch nur selten). Ach, ich könnte hier noch viel zum Thema schreiben, das würde den Rahmen sprengen, eins noch: Gratulation zu deiner Tocher, alle Achtung!!! Tolles Mädel!
Ganz liebe Grüße in den Norden Elisabeth
Kreativ in Farbe hat gesagt…
Einen wunderschönen Beitrag hast Du da gemacht - so wie das Leben es geschrieben habe! Bin heute wieder einmal auf die Blogseite gekommen, die Zeit dazu bleibt mir kaum, drum seh ich oft erst ganz spät, wenn jemand hier geschrieben hat!

Denke öfter an Dich, seit wir geschrieben haben. Jetzt muss ich einfach gegenschreiben, damit die Verbindung nicht wieder im Sand verläuft :-)

Liebe Grüße
und wenn ich wieder einmal zu Brot backen komme dann denke ich an Dich! Und Fachfragen kannst Du ja perfekt beantworten ;-)

Helga Trost
Sara - Waldgarten hat gesagt…
Was für ein Zufall. Mein SchwieVa war auch Bäcker und Konditor. Ja, die Hygiene-Handschuhe .... wenn ich dann sehe, daß eben die selben für Schmutzarbeiten angezogen werden und im gleichen Atemzug dann ans Gebäck gegriffen wird, ist das auch keineswegs hygienischer als mit den bloßen Händen. Sauberkeit ist eben das A und O ob mit oder ohne Handschuhe! Ich habe kein Problem damit, die Verkäuferinnen darauf hinzuweisen, wenn es nicht sauber zugeht, dann nehme ich das Gebäck einfach nicht an! Würden das alle tun, hätte sich dieses Problem bald geregelt.

Tja, aber Brotbacken - dafür braucht es Zeit .... und Energie .... habe schon lange nicht mehr selber Brot gebacken, aber es sollte man wieder angehen.
Wie vorhin schon im anderen Post erwähnt ... derzeit liest man in manchen Blogs übers Backen .... ich wollte mich auch mal ans basische Brot wagen ... habe nur Bedenken, daß meine Mühle das nicht verkraftet. ;-)

Liebe Grüße nochmals
Sara